mit dem Herzen verstehen

Zärtlich blickte Siddharta auf das strömende Wasser, mit tausend Augen blickte der Fluss ihn an ...

Im Herzen hörte er die Stimme sprechen, die neu erwachte, und sie sagte ihm: liebe dieses Wasser, bleibe bei ihm, lerne von ihm.

Oh ja, er wollte von ihm lernen, er wollte ihm zuhören, Wer dies Wasser und seine Geheimnisse verstünde, so schien ihm, der würde auch viel anderes verstehen, viele Geheimnisse, alle Geheimnisse. ...

Von ihm lernte er unaufhörlich, vor allem lernte er vom ihm das Zuhören, das Lauschen mit stillem Herzen, mit wartender, geöffneter Seele, ohne Leidenschaft, ohne Wunsch, ohne Urteil, ohne Meinung.

 

nach Hermann Hesse aus Siddharta

 

 

Noch bemühen sich industrielle Interessen uns auf die Pflege unseres Körpers zu fixieren, aber schon drängen sich in das allgemeine Bewusstsein Bedürfnisse der Seelenpflege in den Vordergrund. Es wächst die Erkenntnis, dass der physische Körper die 'Wohnung' der Seele ist.

So eine Wohnung will eingerichtet, gereinigt und gepflegt sein. Wie unsere Wohnung durch unsere Art zu leben, ihre besondere atmosphärische Note bekommt, beleben die Aktivitäten unserer Seele unseren Körper.

 

Jede Seele ist untrennbar verbunden mit dem Geistigen und empfängt individuell Impulse, die es für eine Reifung zu verwirklichen gilt.

Jede individuelle Seele lebt und wirkt im Geistigen wie ein Tropfen im Meer. Von Zeit zu Zeit trennt sie sich heraus, um eine eigene Form anzunehmen, sie erkundet den Raum zwischen Himmel und Erde, fällt tropfenweise wieder auf die Erde, belebt Fruchtbarkeit und neues Leben und taucht irgendwann in das Meer zurück. Kein Tropfen verliert seine Zugehörigkeit zum Wasser. Sondern das Wasser drückt sich unveränderlich im Tropfen aus, egal wo und wie.

 

Wir sind nicht unsere Seele, sie ist ein Teil von uns, sie ist gekennzeichnet durch unsere inneren Bewegungen des Denkens, Fühlens und Wollens. Wir sind individueller Geist, eine Individualität, und als solche vom unsterblichen All ein Teil. Unsere Individualität ist unser Wesen, in dessen Mitte wie bei einer Lemniskate (Form einer liegenden Acht) sich konzentriert, was wir 'Ich' nennen. Ein waches Ich schafft unser Bewusstsein. Das Ich entscheidet permanent, was zum eigenen Wesen mit dem speziellen Lebensauftrag gehört und was nicht, und steuert so die Ausrichtung und die Arbeit unsere Seele. Jedes Entscheiden ist Trennung und erschafft Formen, in die sich die Persönlichkeit als konkret erfahrbarer Teil der Individualität kleidet.

 

Jede Seele lebt im Spannungsfeld von Angst und Liebe.

Wird der Blick auf Mangelbewusstsein gerichtet, entstehen leere Formen, denn Geistiges kennt keinen Mangel, kennt nur Sein. Diese hohlen Gebilde innerhalb der Seele nennen wird Ego. Das Wachsen von Ego und Seele steht im proportional umgekehrten Verhältnis zu einander, denn sie füllen miteinander den Seelenraum aus. So wie jeder seine helfende, dienende, therapeutische Neigungen am besten so einsetzt, dass er sich überflüssig macht, so ist die eigentliche Aufgabe des Ego dem Seelenwachstum zu dienen, nicht sich selbst. Durch Selbstbezug verhärten sich die Hüllen der Blasen von Mangelbewusstsein, geistig gesehen von Nicht-Sein.

 

Seelenwachstum braucht ein Verstehen mit dem Herzen, aus Liebe heraus. Das bedeutet zu beobachten, wertfrei wahrzunehmen und das Wesentliche zu identifizieren. Wer ohne Meinung, ohne Urteil, ohne Wunsch, ohne Leidenschaft sich und andere in der Welt erfährt, nähert sich der wahren Wirklichkeit. Hier gibt es kein Falsch oder Richtig, kein positiv oder negativ, hier ist nur wie das 'halb volle Glas' alles, so wie es ist.

 

Im Strom der Liebe schwimmt die Seele wie ein Fisch im Wasser, immer in Bewegung, immer achtsam auf seine Umgebung, sich selbst erhaltend, immer auf Fortkommen ausgerichtet, auf Geborenwerden, Leben, Reifen, Sterben und innerhalb der Gruppenseele seiner Gattung wiedergeboren werden. Jede Bewegung des Fisches teilt sich dem Wasser mit, verändert es, wird selber verändert.

Der Mensch aber hat eine individuelle Seele, ist seine eigene Gattung, für deren Reifung er selbst verantwortlich ist. Er ist immer frei, sich für die Richtung seiner eigenen Entwicklung zu entscheiden, seinen Zustand im Spannungsfeld von gestern und morgen selbst zu bestimmen.

Im Strom der Liebe ist nur das Jetzt real. Fühlen gilt nur im Moment. Seele erlebt sich selbst im zeitlosen Mitströmen der erfahrbaren Gegenwart. Wer sich darauf konzentriert, bei dem weichen Zweifel, Ängste, Furcht und Sorgen zugunsten von Vertrauen in sich und seine geistige Zugehörigkeit. Wer lernt, auf seine innere Stimme zu lauschen, vermag seiner geistigen Führung zu folgen.

 

Da unbewusst alles Geistige unkennbar ist, wächst eine Seele ins Ungewisse. Es gibt dabei keine Sicherheit, nur Ergebenheit.

Die Seele wächst durch ihre geistige Ernährung, durch lichtvolle Augenblicke, durch Erleben von Schöpfungsimpulsen, die wahrgenommen immer ein Gefühl von Schönheit und Freude, von seelischem Atemholen bewirken.

Die Seele ernährt sich durch empathisches Hinschauen und lauschendes Hören auf das, was ist, sichtbar und auch unsichtbar. Bewusst wird differenziert und identifiziert, was genauer erkannt und bearbeitet werden will.

 

Der stets vorhandenen Vollkommenheit des Geistes wächst das Bewusstsein in jeder individuellen Seele reifend entgegen. auch wenn ein Mensch dafür mal ein Leben lang Umwege geht. Immer strebt er nach Erfahrungen, Erkenntnisse, verstehende Erleuchtung, nach Wissen von wahrer Wirklichkeit, die er im tiefsten Kern seines Herzens glaubend kennt.

 

Die Reifung der Seele erfordert den wachsamen Blick nach innen auf die sich ständig ändernden inneren Zustände von Gefühlen, Empfindungen, Gedanken und Wollen. So lernt der Mensch seine eigenen inneren Bewegungen objektiver wahrzunehmen. Mit offenem ehrlichem Blick wird Verborgenes an die Oberfläche befördert, das durch das Wirken des Ego mit Hilfe von Kräften der Angst erfolgreich verdrängt, vertuscht, verleugnet wurde. Darauf zu schauen verursacht – ungeübt - Schmerzen. Sie machen auf Störungen aufmerksam und fordern heraus, sie zu beheben. Es braucht Gelassenheit, die Dinge zu akzeptieren, die nicht zu ändern sind, Mut, die Dinge zu ändern, die zu ändern sind, und Weisheit, beides voneinander zu unterscheiden.

 

Wer diesen Prozess für sich erfolgreich durchlebt, gewinnt Mitgefühl mit seelischen Zuständen anderer, denn er kennt sie und ihre Wirkungen gut. Er wird vorurteilsfreier, bescheidener, freundlicher, zugewandter, liebevoller seinen Mitmenschen begegnen. Er weiß, dass er den anderen nicht versteht, wenn er ihn beurteilt, sich von ihm abgrenzt, sondern nur, wenn er sich die Zusammenhänge mitfühlend erschließt. Wer so auch den Anderen mit dem Herzen versteht, vergibt jede Verletzung durch ihn ohne sie zu verleugnen, zu verdammen oder zu beschönigen.

 

Zu jeder Zeit in der Geschichte waren und werden seelisch gereifte Menschen wirksam. Sie treiben die Bewusstseinsbildung aller voran einem gottgewollten Ziel entgegen.

 

maria goras

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Annette Brandt (Mittwoch, 09 November 2016 20:14)

    Vielen lieben Dank, bin zutiefst berührt von diesem Text, er hilft mir sehr. Von meiner Ärztin erst von dem 8. Chakra erfahren - und dabei, ua auch dies zu klären.