Märchen der Brüder Grimm

Rapunzel

zusammengefasste inhaltliche Darstellung für Erwachsene                             4.11.2014

 

Einem Gott gläubigen Paar wird endlich der Wunsch nach einem Kind erfüllt. Der schwangeren Frau gelüstet es sehr nach dem nussig schmeckenden Feldsalat Rapunzel, den sie im von einer Mauer umgebenen Garten einer Zauberin sieht. Als die Schwangere ihre Lust nicht mehr beherrschen kann, setzt sie ihrem Mann so zu, dass er über die Mauer klettert und stiehlt. Der Genuss stillt aber nicht ihr Verlangen, im Gegenteil er stachelt die Begierde noch mehr an. Wieder gibt der Mann nach, wird aber beim zweiten Mal von der Zauberin gestellt. Sie ist bereit, ihn nicht nur frei zu geben, sondern auch ihre Rapunzeln der Schwangeren zu überlassen, wenn er ihr das Neugeborene zu eigen verspricht. Das tut er!

 

Das geborene Mädchen wird der Zauberin übergeben, die es Rapunzel nennt und mitten im Wald in einen hohen unzugänglichen Turm einsperrt. Es hat prächtiges Haar, fein wie gesponnenes Gold, das sie zu langen Zöpfen flechtet. Die Zauberin verschafft sich Zugang zu ihr, indem sie an den Zöpfen hochklettert, die Rapunzel aus dem Turmfenster fallen lassen muss.

 

In ihrer Einsamkeit vertreibt sich Rapunzel mit Singen die Zeit. Das hört ein Königssohn und fühlt sich so in seinem Inneren berührt, dass er sie nicht vergessen kann. Täglich kommt er wieder und sucht einen Eingang in den Turm. Dabei beobachtet er, wie die Zauberin ruft, Zöpfe aus dem Fenster fallen und sie an Rapunzels Haar zum Fenster aufsteigt. Diesem Beispiel folgt der Königssohn, benutzt die gleichen Schlüsselworte und erreicht den einzigen Zugang. Das Mädchen überwindet seine Angst vor dem fremden freundlichen Mann, lässt ihn ein und fühlt sich ihm zugetan. Gemeinsam sinnen sie auf eine List, Rapunzel aus dem Turm zu befreien.

 

Als einmal die Zauberin wieder zu dem Mädchen kommt, ist es unachtsam und verrät den königlichen männlichen Besuch. Da werden ihm die Haare abgeschnitten und Rapunzel in eine jammervolle und elende Wüstenei verbannt. Die Zöpfe benutzt die Zauberin, um den Königssohn zu sich zu locken und so zu verhöhnen, dass er aus dem Turm springt und sein Augenlicht verliert.

 

Nun irrt er jammernd und weinend im Wald umher, bis er einen lieblichen Gesang hört, den er erkennt und dem er folgt. Er findet Rapunzel, die inzwischen Zwillinge geboren hat. Auch sie erkennt ihn wieder, fällt ihm weinend um den Hals und ihre reinen Tränen heilen sein Augenlicht. In seinem Königreich leben sie fortan glücklich und zufrieden.



 

 

Anregung zur Deutung von Seelenentwicklungen

 

Das Märchen Rapunzel handelt von einer Verbannung der Seele ins Reich emotionaler Verstrickungen aufgrund von Lust und Verlangen.

 

Nachdem der Wunsch von Nachwuchs in Erfüllung geht, erliegt der weibliche Seelenteil seinen Gelüsten. Dagegen erweist sich der männliche als ohnmächtig und verhilft durch Diebstahl zur Befriedigung.

Damit hat sich die Seele egoistischen Kräften in Gestalt einer Zauberin ausgeliefert. Dem Nachwuchs obliegt es hier, die Konsequenzen auf sich zu nehmen. Der Name Rapunzel für ein Mädchen drückt die weibliche Aufgabe aus, die ursächliche Verfehlung der Eltern aufzuarbeiten.

Seine kindliche Unschuld wird mitten im Wald emotionaler Verstrickungen in einen unzugänglichen Turm gesperrt und dadurch geschützt. Die Zauberin verschafft sich für ihren persönlichen Nutzen tagsüber Zugang zu seinen reinen geistigen Kräften und benutzt die dafür wie Antennen wirkenden goldfarbenen Haare.

 

Rapunzel verbindet sich in ihrer Einsamkeit mit der Atmosphäre des Umfeldes durch lieblichen, laut schallenden Gesang.

Das erringt die Aufmerksamkeit eines Königssohnes, einer Entwicklung zur sich selbst beherrschenden Macht. Er entdeckt das Geheimnis des unberührten Lebens in der Verbannung, verschafft sich mit List Zugang zur weiblichen Seele und vereint sich mit ihr heimlich.

Das entdecken die egoistischen Kräfte der Zauberin. Das inzwischen herangereifte Mädchen muss den Schutz des Turmes verlassen. Ihre goldenen Zöpfe und damit ihre kindliche geistige Verbindung wird abgeschnitten und es in ein Leben in Jammer und Elend gesandt.

 

Die werdenden königlichen Kräfte können vom Egoismus überlistet und so verhöhnt werden, dass sie ihre klare Sicht verlieren und im Wald emotionaler Beziehungen herumirren müssen.

 

Als der im Elend blinde männliche Königsnachfolger die innere weibliche Stimme hört, lässt er sich von ihr leiten. Als sie sich wiederfinden, löst das bei ihr reine Freudentränen aus, die das Augenlicht und damit die Wahrnehmungen der männlichen Seelenseite klären und heilen.

Die kargen Lebensbedingungen lassen Rapunzel jegliche Gelüste überwinden und damit erfüllt sie ihren Teil des Generationsvertrages. Zudem hat die junge Frau allein in der Ödnis Zwillinge geboren, und damit ihre Vereinigung mit königlichen Kräften für zukünftige Entwicklungen geprägt.

Im königlichen Reich können sich nun geistige Macht und seelische Weisheit in Einheit entwickeln.